mein VW 1500 Karmann-Ghia Coupé

Den ersten Kontakt mit einem Karmann-Ghia hatte ich etwa 1971: unsere Nachbarin hatte sich einen gekauft. Ich war damals erst 5 Jahre alt, aber dieses Auto hatte mich damals schon beeindruckt.

Viele Jahre gingen ins Land, ich liebäugelte mit VW Käfern, Borgwards Isabella, Volvos Amazon und der Citroëns DS - fuhr aber aus praktischen Gründen lieber einen gebrauchten Polo oder Golf.

Aber seit Oktober 1997 habe ich nun meinen Volkswagen 1500 Karmann-Ghia Coupé.

Ich hatte ihn zwar schon im März 1997 am Straßenrand zum Verkauf angepriesen gesehen und bin mindestens 10mal grübelnd drumherumgelaufen, habe mich dann aber erst mal zur langweiligen Vernunft überreden lassen. Als ich ihn dann wieder im Oktober sah und sogar noch etwas Geld auf meinem Konto war, gab's kein halten mehr...

Baujahr März 1970 mit beheizbarer Heckscheibe, er hat einen Austauschmotor mit 50PS und lang übersetztem Getriebe (über 150km/h sind kein Problem) und hat die für 1970 passenden Farben Signalorange (Farbcode L 20 E) und Hellelfenbeinweiß (Farbcode L 80 E). Auslieferungsort war Berlin und alle 4 Vorbesitzer stammten aus Berlin. Wer mich nicht an den Farben erkennt: B-P 1575 ist mein Kennzeichen, welches er auch schon seit Auslieferung trug. Er hatte 160.000km hinter sich gebracht.

Er war im täglichen Einsatz und hat auch schon bei mir längere Autobahnfahrten quer durch Deutschland und Italien absolviert. Der Verbrauch liegt so bei 8l/100km - bei Langstrecken auch darunter.

Front Motor Heck

Im Winter 1997/1998 wurde er erst mal etwas restauriert, da kleinere Roststellen zu sehen waren und der Lack etwas matt aussah. Naja, die Fertan Operationen und anschließende Lackierung machten das Auto 2 Jahre wieder recht ansehnlich. Allerdings nicht empfehlenswert. Seinerzeit wußte ich über Oldtimer noch nicht viel und hatte meinen Karmann-Ghia jemanden anvertraut, der sich mit so etwas angeblich auskannte. Seine Worte: "das hält jetzt mindesten wieder 20 Jahre" hatten mich schon damals stutzig gemacht. Letztendlich aber nichts von Dauer und die ersten Rostbläschen waren nach 2 Jahren sehr deutlich zusehen.

Aber das hatte ich auch schon erwartet - ich wollte nur an den Karmann-Ghia erst mal meine Freude haben und nicht gleich mit einer Totalrestaurierung für Monate gefrustet in der Garage werkeln.

Front Front Heck

Da ich auch im Winter damit fahre, ich es satt hatte gegen beschlagene Scheiben zu kämpfen und halb Blind durch den Stadtverkehr als Verkehrsrisiko zu fahren, habe ich mir im Dezember 1998 eine Standheizung der Firma Eberspächer einbauen lassen. Jetzt wird es nach Zeituhr oder funkgesteuert mollig warm.

Daß man mit dem Karmann-Ghia auch heute noch durchaus größere Reisen machen kann, zeigt vielleicht meine Urlaubsreise im Sommer 1998 mit ca. 10.000km quer durch Deutschland und Italien. Die Reise im Sommer 1999 nach Menton (Frankreich) und Mallorca überschattet leider ein wenig der Motorschaden kurz vor dem Ende (der Motor hatte aber auch schon fast 100.000km hinter sich und ich hatte einen nicht bemerkten Ölverlust am gelockerten Öleinfüllstutzen). Es war trotzdem eine toller Urlaub und ich bereue nichts. Mit Austauschmotor ging es dann einen Monat später schon zur nächsten kleinen Ausfahrt.

Front verzinnt Seite verzinnt Front lackiert

Nach dem ich soviel Freunde am Fahren gehabt hatte, hatte ich auch den Mut mich an eine Komplettrestaurierung heranzuwagen. Ende Juli 2001 konnte ich meine Werkstattgarage beziehen auf dem Gelände meines Vereins "Die Oldtimer-Garage Berlin-Brandenburg e.V.". Da es meine erste Restaurierung war, mußte einiges an Werkzeug gekauft werden (z.B. Wagenheber, bessere Bohrmaschine, ...) und die Garage einrichtet werden. Zuhause habe ich ein Restaurierungsbuch und -bericht nach dem anderen gelesen. Etwa Anfang Oktober konnte es losgehen mit der Zerlegung.

Zunächst wurden für dei anstehenden Karosseriearbeiten alle Teile an der Karosse, die Elektrik, der Motor uvm. abgebaut, gereinigt, in beschrifteten Tüten einzeln verpackt und auf den Dachboden der Garage getragen.

Dabei wurde alles mit einer MiniDV (Digital Video) Kamera dokumentiert. Diese digitale Videokamera konnte/kann auch Einzelbilder mit 5sek Ton aufzeichenen, was ich ausgiebig mit ca. 2000 Photos genutzt habe um Einzelteile zu photographieren und den Zustand zu mündlich beschreiben. Beim Zusammenbau hat mir das viel geholfen, zumal ich auf meiner MiniDV Kamera mit relativ großem Display auch vor Ort mir alles vor und rückwärts chronologisch anschauen konnte. Verbrauchskosten nur 4 MiniDV Bänder, ca. 20 Seiten A4 Ausdrucke für komplizierter Sachen und natürlich die Kamera, die auch etwas gelitten hat. Insgesamt aber sehr praktisch, da man sich viele gekritzelte Zeichnungen und unleserliche Notizenhaufen ersparen konnte.

Als Vorbereitung auch für die Karosseriearbeiten mußte der komplette Bitumen-Unterbodenschutz runter. Was eine Sauerei. Ich habe mit Seidel Cocopaste (Abbeizer auf pflanzlicher Basis) zwar an zwei Wochenenden viel Material runterbekommen, aber bis wirklich alles runter war hat es Wochen gedauert, in denen ich schwarz, stinkend und manchmal demotiviert nach Hause kam.

Die Karossseriearbeiten habe ich aber von einer Oldtimer-Werkstatt machen lassen. Es wurden neue Schweller eingeschweißt, einiges Blech an der Unterkante der Karosse ersetzt, die Luftkanäle vorne und die Reserveradwanne ersetzt und auch die Nasenlöcher wieder vom Rost befreit und kleine Bleche eingeschweißt. Nachdem die Karosse wieder Stabilität hatte wurde Sie abgehoben und Blecharbeiten am Schweller kontrolliert. Das ganze wurde dann ordentlich mit Zinn geglättet, danach grundiert, gefillert und wieder in den Originalfarben lackiert. Karosse und Chassis wieder provisorisch zusammengefügt und wieder zurücktransportiert in meine Garage.


Dort wurde die Karosse mittels Hebebühne von mir alleine wieder abgehoben, auf ein provisorisches Fahrgestell aus zwei Europaletten und Baumarktrollen gehoben und gut abgedeckt zwischengelagert.

Dann habe ich mich an die Bodengruppe gemacht. Alles wochenlang komplett Blank geschliffen, Anbauteile gereinigt, und dann Rostschutzgrund (POR 15) und Lackierung aufgetragen. Danach das komplette Bremssystem erneuert (Umrüstung aller aktiven Bauteile auf ATE), alle Bowdenzüge ausgetauscht, alle Gummilager gewechselt, neu Stoßdämpfer verbaut (KONI rot), neuen Lenkungsdämpfer eingesetzt (KONI), usw.

Nun konnte die Karosse wieder aufgestezt werden - mit der Hebebühne natürlich schafft man soetwas alleine. Vorher noch Chassisdichtungen sauber verlegen, rauf damit, neue Chassisschrauben rundrum verbauen und es sieht fast wieder nach Auto aus...

Während die Karosse in der Oldtimer-Werkstatt gemacht wurde hatte ich die Zeit genutzt den Motor wieder optisch auf Vordermann zu bringen. Alle Blechteile ab, alles gut gereinigt, teilweise abgeschliffen, temperaturunempfindlichen Lack (aus dem POR 15 Programm) aufgetragen, Stempel für "110" un "IO" (In Ordnung) für das Gehäuse originalgetreu angefertigt, einige Teile originalgetreu ersetzt (Zündspule, Kabel, Schläuche, ...), einige Teile wie alte VW-Schlauchschellen mühsam aufgearbeitet, neue Aufkleber drauf - und fertig.

Es gingen einige Monate ins Land beim Zusammenbau - so manches Teil wollte ich dann doch ersetzen und mußte gefunden werden, manches Teil mußte nochmal überarbeitet werden und wanderte dann doch als nicht retaurierbar auf den großen Haufen. Anderes wurde mühsam gereinigt und restauriert, weil es keine Originale mehr gibt/gab (Kabelbäume mit "Reinshagen" Beschriftung, Schellen mit VW-Logo, etc, etc, pp. ...). Beim Scheibeneinbau brauchte ich dann nochmal Hilfe von einem Vereinsmitglied, alles andere habe ich allein zusammenbauen können. Aber ein-zwei Notrufe an meine Vereinsmitglieder der IG Südheide bedurfte es natürlich schon - nochmal besten Dank an Tobias Ludwig, Lutz Gaas und Lars Neuffer.

Obwohl eigentlich geplant war die Restaurierung in 9 Monaten durchzuziehen, dann bis Alzenau 2003 fertig zu sein, wurde ich doch erst Anfang Juli mit frischen TÜV fertig. Der Wagen wurde noch ordentlich mit Teroson Terotex HV400 Hohlruamversieglungswachs und Terotex-Ultra Unterbodenschutzwachs versiegelt. Außerdem habe ich mir noch einen Bra (gegen Steinschlag - ist aber eher Show-Effekt) extra passend in weißem Kunstleder anfertigen lassen. Zum Karmann-Ghia Treffen Karlsruhe 2003 konnte ich dann meine Jungfernfahrt machen - ohne Pannen und mit einigem Lob anderer Teilnehmer. Ein paar Kleinigkeiten sind immer mal noch zu machen (z.B. vergilbte Sonnenblenden) - aber sonst wäre es ja auch langweilig.

Letztendlich hat mich der Spaß ca. 20.000 Euro (knapp 10.000 Euro Schweißarbeiten und Lack, der Rest Ersatzteile, Werkzeuge, Material - nicht mitgerechtet Kaufpreis und Kosten vorher), 22 Monate Wochenenden und Abende in der Garage, viel Schweiß und auch Blut gekostet. Soetwas lohnt sich nur wenn der Weg das Ziel ist - ich habe sehr viel gelernt und es wird nicht mein letzter Oldtimer gewesen sein. Den nächsten werde ich aber etwas langsamer angehen.



©1997-2002 by Rolf-Stephan Badura
letzte Änderung 6. August 2002

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