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Wonderbra

Steinschlagschutz in Maßanfertigung

"Steinschlagschutz" oder englisch "Bra" (für Büstenhalter) bzw. "front-end bra" wird er genannt. Die ersten gab's wohl 1961 für Porsche 356 in Kalifornien für dort stationierte deutsche Starfighter Techniker/Piloten.

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Mit Bra beim 50 Jahre Karmann-Ghia Treffen, Georgsmarinenhütte, 2005

Man schreibt das Jahr 2002 – mein noch demontierter, nackter Karmann ist gerade frisch lackiert vom Lackierer zurückgekommen in meine Garage. Schön sieht er aus – alles glänzt wieder wie neu – ein herrliches Bild, das man stundenlang geniessen könnte nach all dem Rost und Dreck mit dem man die Monate zuvor gekämpft hatte. Nur der alte Scheinwerfer in meiner Hand passt so gar nicht mehr. Die Gläser sind matt und haben überall kleine Steinschlagschäden. Auch der alte Lack an der Front hatte früher einige Schäden... hmm...

Ich rieb mir zwar nicht wie Wickie von den Wikingern die Nase, aber das Thema ließ mich nicht so schnell wieder los. Zuhause am Rechner recherchierte ich erst mal im Internet. Ja, da gab es etwas, dass nennt sich Bra (Büstenhalter, engl.: brassiere oder kurz bra). Ich suchte nach Anbietern, aber für den Karmann gab es nur Bras aus den USA und auch nur in schwarz. Die Bilder davon sahen nicht sehr berauschend aus. Durch eine Anfrage im Karmann-Ghia Forum bekam ich dann von Ingo Schwendke so einen geliehen – zur Anprobe und um vielleicht ein passendes Schnittmuster für eine Eigenfertigung zu haben – noch mal Danke hiermit an Ingo!

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geliehener Bra aus den USA zum Probieren bei der Restauration, 2002

Der Bra war aus einem recht plastikhaften Material, sehr faltig und zerknautscht. Der Schnitt passte wohl nur zur ersten Serie, d.h. kleine Lufteinlässe, dazu kleine, runde Ausschnitte für die Blinker und die Scheinwerfer passten auch nicht so recht von meinem darein. Nein – dies war nicht der Bra, den ich an meinen frisch restaurierten Karmann sehen wollte. Nicht schwarz, zerknittert und schlecht passend. Ich habe auch später immer wieder solche Bras gesehen – auch beim 50 Jahre Treffen in GeMaHü 2005. Die Qualität ist leider bescheiden und allen haftet dieser Knitter-Look an. Für Käfer und Bus etc. gibt es mittlerweile eine brauchbare Auswahl auch mehrfarbiger Bras.

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Rückseite mit Nähten des geliehenen Bra aus den USA, 2002

Im Gespräch mit verschiedenen Teilehändlern und Sattlern der Region blieb nur eins – Maßanfertigung beim Sattler. Ich wollte nicht noch eine Farbe an meinem Karmann – blieb also nur signalorange oder hellelfenbein (bzw. weiß). Schnell fiel die Wahl auf weiß und ich fragte bei verschieden Sattlern nach passendem gefüttertem Material, damit der Bra nicht am Lack kratzt innen aus wasserfesten Fliess, außen in weißem Kunstleder. Doch dies war so nicht zu bekommen – nur einzeln, aber eben nicht verklebt. Ich musste erst einmal 10m x 2m davon herstellen lassen – die Mindestabnahmemenge.

Mein Sattler nahm sich dann den ursprünglichen Bra und meine Änderungswünsche als Grundlage. Ich lieferte noch geeignete Gummizüge aus dem Modellbau – genauer Segelflugzeughochstartseile in weiß. Nach einiger Sattlerarbeit und 2 Anproben und Korrekturen passte der Wonderbra endlich perfekt an meinen Karmann. Kostenpunkt dann aber auch satte 650 Euro – wenn auch mit Material für mindestens noch ein Bra.

Wesentliche Merkmale so eines Bras sind der Schnitt zugunsten der konkaven und konvexen Front des Karmanns, fünf biegbare und in Kunstleder eingefassten Metalllaschen um ihn unten und an den unteren Seiten an den Karosseriekanten festzuhalten, zwei Klettverschlüsse an den Seiten, damit man um die Aussenbefestigung der Stossstange kommt, zwei Klettverschlüsse unterhalb der Stossstangenhalter, ein Gummizug der am oberen Rand einmal von Radhaus zu Radhaus über die Kofferraumhaube gespannt wird und dort ebenfalls mit biegbaren und in Kunstleder eingefassten Metalllaschen festgehalten wird, die am oberen Rand angebrachten Erhöhungen aus zwei geknickten und in Kunstleder eingefassten Plastikstreifen, die den Bra bei Luftströmung vor frühzeitigem Flattern und damit Reiben am Lack schützen sollen.

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Bra Gummizug und Haken am Kotflügel, Berlin, 2006

Nach einigen Jahren Erfahrung damit, kann ich folgendes Resümee ziehen:
a) ich habe zwei, kleine, neue Steinschlagschäden – als den Bra nicht benutzt hatte
b) er hat leichte Falten vom Lagern gleich nach dem Anlegen, die aber verschwinden
c) der Bra ist ungeeignet ab ca. 80km/h – dann flattert er und reibt am Lack
d) bei Regen fahre ich ohne, damit nicht Schmutzwasser zwischen Bra und Lack fließt
e) immer gut gereinigt sieht er heute noch fast wie neu aus

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Bra mit noch bald verschwindenden Spuren vom Auseinanderfalten, Berlin, 2006

Mir ist bewusst, dass so ein Bra Geschmacksache ist – und ich finde ihn auch nicht immer nur schön. Aber gerade bei den vielen schlechten Straßen rund um und in Berlin und auf den Strecken die ich fahre finde ich dies noch die eleganteste Lösung.


Letzte Änderung: 08.12.2020 07:32